Friedenspreis ist
unwichtig Susanne
Lang von der "Aktion Noteingang" will kein
Feigenblatt für Rassismus sein
In Aachen war Susanne Lang
vorher noch nie. Doch gestern durfte sie dort den
Friedenspreis entgegennehmen. Lang ist Mitinitiatorin der
"Aktion Noteingang". Der Initiative gelang es,
200 öffentlich zugängliche Räume in Brandenburg als
Schutzorte für Flüchtlinge auszuweisen. Die Noteingängler
haben das Preisgeld von 2.000 Mark jedoch nicht
angenommen, sondern an eine Asylbewerbergruppe
weitergegeben. Lang: "Wir sind kein Feigenblatt für
den rassistischen Normalzustand."
In Schwedt fing vor zehn
Jahren alles an. Dutzende Nazis überfielen eine Disko,
in der Lang gerade tanzte. "Das ist ein prägendes
Erlebnis", sagt die Frau im hippen Girlie-T-Shirt,
auf dem im Coca-Cola-Design "Smash Fashism"
steht. Ihr ist zwar nichts passiert - "kleine Mädchen
nehmen die nicht ernst". Sie werde aber nie
vergessen, wie die Rechtsradikalen auf ihre Freunde
eintraten und die Polizei aus sicherer Entfernung zusah.
Ein Jahr später bekam Lang ein Antifa-Flugblatt in die Hände.
Die Jugendliche war sofort dabei. "Wir konnten nicht
zulassen, dass die Nazis die kulturelle Hegemonie kriegen."
Seitdem ist Lang in diversen Initiativen aktiv. Größte
Resonanz hatte bisher die "Aktion Noteingang",
die 1998 entstand. Die Idee: Geschäfte und Behörden
platzieren einen Aufkleber an die Tür: "Wir bieten
Schutz und Information bei rassistischen und
faschistischen Übergriffen." Der Aufkleber war aber
nicht das Entscheidende. "Wir wollten Diskussionen
anregen." 1.000 Einrichtungen wurden in Brandenburg
kontaktiert, rund 200 Sticker schließlich geklebt. Häufigste
Ursache fürs Nichtkleben: Angst davor, Kunden zu
verlieren oder sich im Ort zu isolieren.
Mittlerweile gibt es
Nachahmer. Die Brandenburger haben sich jedoch anderes
orientiert. Lang: "Es reicht nicht, für
Zivilcourage im Alltag einzutreten, wenn Staat und
Gesellschaft Nichtdeutsche zu Menschen zweiter und
dritter Klasse stempeln." Die eloquente, manchmal
etwas schüchterne Studentin ist deshalb Sprecherin des
diesjährigen Sommer-Grenzcamps in Forst an der Oder
geworden. Dort haben Initiativen aus der ganzen Republik
auf die Folgen der Asylpolitik aufmerksam gemacht. Folgen,
wie sie sich etwa für die Asylbewerbergruppe aus dem
brandenburgischen Rathenow ergeben, der Lang gestern die
2.000 Mark-Dotierung des Friedenspreises überreichte.
Obwohl die Gruppe inzwischen bundesweit bekannt ist,
nachdem sie die Ausländerfeindlichkeit in Rathenow
angeprangert hat, darf die Gruppe die Stadt nicht
verlassen - noch nicht einmal zu einem
Erfahrungsaustausch mit anderen Flüchtlingen. RICHARD
ROTHER
taz Nr. 6235 vom 2.9.2000
Seite 12 86 Zeilen
|